Der Archipel Böhmermann

Man muss Herrn Böhmermann ja lassen, dass er es schafft, sich mit kindischem Dreck in die Schlagzeilen zu bringen, ohne dabei – wie das “Promis” normalerweise zu tun pflegen – irgendeine blöde Schlampe zu vögeln (oder zumindest öffentlich behaupten, das zu tun).

Die letzte Aufmerksamkeit in diesem Blog bekam der Zwangsgebührenerpesser (ich will wirklich was ad-hominem-Negatives über Böhmermann schreiben, aber das fällt echt schwer) … – bekam Böhmermann dafür, irgendeinen Ziegenficker als solchen zu bezeichnen. Freilich war das genau der “billige Populismus”, den die stramm Linken jedem ihrer politischen Gegner vorwerfen, der mal was realitätsbezogenes sagt; aber Erdogan zu kritisieren ist fucking billig. Dafür muss man nur mal die Türkei besuchen – ich weiß nicht, wieviel ihr reist, aber es gibt da so kulturelle Unterschiede:

In Deutschland sagt man angestrengt-höflich “Willkommen” mit dem Unterton “Was willst Du hier?!“; in den meisten anderen Ländern meinen die Leute das ehrlich. In China, zum Beispiel, heißt es “欢迎光临”, direkt gefolgt von der Frage, wo man herkommt und was man verdient.

Türken, hingegen, sagen enormst herzlich “Hoşgeldiniz”, raten dann, wo Du herkommst (Deutschland, GB oder Russland kann man raten; Österreicher und Schweizer sind halt quasi auch Deutsche…) und fragen dann, ob man denn Erdogan auch scheiße findet.

Ich habe nicht einen Türken getroffen, der Erdogan gut findet. Mit Ausnahme eines überzeugten Kommunisten aber habe ich wirklich viele Leute kennengelernt, die sich für Erdogan entschuldigen wollen, weil der zwar so entsetzlich sei, wie ihn die internationale Presse darstellt (das türkische Fernsehen berichtet sowas ja, aber im Gegensatz zum durchschnittlichen deutschen Schlafschaf glauben die Türken nicht, was die Staatsmedien erzählen…) … aber es halt als Alternative nur die Gülen-Leute gibt, die (grob) erzkonservative religiöse Spinner sind, und die (kurdische) Kommunisten, die man aus beiden Gründen (also, weil sie Kurden sind und weil sie Kommunisten sind) nicht mag.

Dass also irgendein Deutscher C-Promi statt im Dschungelcamp Würmer zu fressen dafür gefeiert wird, dass er Erdogan kritisiert, hat in etwa den gleichen Nachrichtenwert, wie dass in China ein Sack Reis umgefallen ist: das passiert schon, das passiert sogar häufig, aber es sind die Türken, die darunter leiden, dass Erdogan nunmal Erdogan ist.

Und Erdogan fickt sicher keine Ziegen; es gibt zwar kein Foto seiner Frau in jungen Jahren, aber es gibt Bilder seiner Töchter. Und auch wenn die nicht annähernd an die Mädels des ungarischen Premiers rankommen, denke ich doch, dass ich problemlos eine 100%-Mehrheit dafür finde, die attraktiver als Ziegen (oder jedwede Linke Frau, bei der Gelegenheit) einzuordnen.

Das war also nur billig, und das habe ich auch damals bereits dargelegt.

Zudem war es dumm, nutzlos und vor allem adressierte es kein echtes Problem. Aber: es war wenigstens nicht schlimm.

Jetzt, aber, haben wir #ReconquistaInternet.

Das ist der Versuch der Linken, auf den Überfall des Senders Gleiwitz das (dämliche) Gerücht, dass alle nicht-Linken im Internet organisierte Trolle und Bots sind, eine fucking Armee von Trollen zu produzieren.

Das hatte durchaus Erfolg; die Kommentare auf Twitter sind voll mit “aber wir lieben Euch doch alle” – Bullshit. Man muss den Rechten ja “Liebe” entgegensetzen.

Und das stößt mir aus mehr als einem Grund sauer auf: Erstens ist das kein Argument, was ich halt in der politischen “Debatte”  leidlich vermisse. Zweitens erinnert es mich an Erich Mielke und damit eine Episode der deutschen Geschichte, die in ihrer Dunkelheit dem Nazi-Regime in absolut nichts nachsteht. Drittens, aber, geht es bei politischen Fragen um Werte, und tendenziell geht es Rechten darum, Werte beizubehalten, während Linke Werte erneuern wollen.

Liebe ist aber kein ambivalenter oder politisch diskutabler Wert; Liebe ist das absoluteste, was man als Mensch empfinden kann – das weiß jeder, der irgendwann mal geliebt hat.

Und Herr Böhmermann kommt dann auf die Idee, man sollte seinen politischen Gegner mit (geheuchelter) Liebe überschütten.

Das geht aber nicht.

Jede noch so kleine Lüge macht etwas in einem Menschen kaputt, bis er das verliert, was einen Menschen ausmacht. Man sieht das recht einfach an Leuten, die ihre Seele verkaufen – Prostituierte, Politiker, Unternehmensberater.

Das sind, wenn es zu lange geht, keine “echten” Menschen mehr, wenn man ein unschuldiges junges Kind als Maßstab nimmt. Das wird wertloser Menschenmüll.

Und Böhmermanns Projekt fordert Leute dazu auf, öffentlich kundzutun, was für ein seelenloser Menschenmüll sie sind.

Ich mag meine politischen Gegner nicht, ich hasse sie aber auch nicht. Ich mag auch keine massenvergewaltigenden Negerhorden, jugoslawische Kriminellenbanden oder Angela Merkel in diesem Land haben, aber mein Anstand (oder halt eine gewisse Indifferenz) hält mich davon ab, die (auch nur auf Verdacht) in Vernichtungslager zu stecken, weil mir klar ist, dass es auch Menschen sind.

Linke Leute als Menschen zu sehen fällt mir schwer genug, weil ich (rational) finde, dass zum menschlich-sein Verstand gehört, den Linke ja nun offensichtlich und demonstrativ nicht besitzen, aber Gefühle haben sie trotzdem – dachte ich zumindest.

Dank Herrn Böhmermann aber weiß ich jetzt, dass die ihre Gefühle nur vortäuschen. Ich kann nicht jemanden lieben, den ich verachte; ich kann ihn nur hassen. Hass ist aber eine kontraproduktive Emotion, die man vermeiden sollte.

Die, aber leben nur von Hass, den sie genausogut als Liebe verkaufen können; intrinsisch ist das nur die andere Seite der Medaille.

Das macht diese Menschen in meinen Augen vollkommen wertlos – es gibt das Wort “Hasszerfressen”, und das ist mit gutem Grund negativ konnotiert. Die Leute, die da das Internet mit angeblicher “Liebe” überschütten, sind hasszerfressen; so sehr, das es sie nichtmal mehr stört, die wichtigste, menschlichste Emotion, die selbst den ultimativen Verstand zu überwinden in der Lage ist, derart in den Dreck zu ziehen.

Das sind für mich keine Menschen mehr.

Und so. liebe Kinder, findet man Leute, die in einem KZ oder Gulag danebenstehen, während “prinzipiell auch Menschen” zu Tode geschuftet werden; nicht um sie zu töten, sondern um sie leiden zu lassen. Weil es in die Seele jedes anständigen Menschen nicht reinpasst, weil es nicht nur sein Weltbild, sondern seine Existenz zerstört, wenn augenscheinliche Menschen sich verhalten wie Unkraut, was blüht, auch wenn man draufpinkelt. Man will, ganz, ganz tief in einem drin, sehen, dass die doch Gefühle haben.

Ich finde das eine sehr bedenkliche und überhaupt nicht gute Entwicklung.

Insbesondere, weil ich nicht fucking Jesus bin und mir gerade eine halbe Tonne Steine liefern habe lassen.

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